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as Zarte ist als Begriff in der deutschen Sprache seit dem Mittelhochdeutschen beheimatet und bedeutete als Verb soviel wie »berühren«, »sich vorsichtig nähern«. Heute wird das Wort vor allem als Adjektiv und mit einer großen Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten verwendet. Im kunstwissenschaftlichen Jargon beschreibt es Arbeiten, die zurückhaltend, fein gestaltetet, ephemer und/oder zerbrechlich sind. Eine genaue Definition in seiner ästhetischen Bedeutung ist bisher nicht unternommen worden. Ziel der Dissertation »Über das Zarte« soll es sein, das Zarte als ästhetische Kategorie zu definieren und seine Präsenz und Relevanz im historischen wie zeitgenössischen künstlerischen Kontext darzustellen.
Die Enzyklopädie des Zarten versammelt Alltägliches und Kurioses, Phänomenen der Geistes- und Naturwissenschaft ebenso wie künstlerische Werke, um dem Forschungsbegriff des Zarten nachzuspüren, auch dort, wo er zunächst möglicherweise nicht vermutet wird. Die Sammlung wird durch das enzyklopädische Format mit seinen strukturellen Charakteristika gebündelt und geordnet. Die Reduktion der einzelnen Sachverhalte in die literarische Struktur des Artikels, die flexible und verführerische Vernetzung der beschriebenen Gegenstände durch das Querverweissystem, sowie die enthierarchisierte Ordnung aller Forschungsaspekte in der alphabetischen Zugriffsstruktur ermöglichen eine behutsame Annäherung der Leserinnen und Leser an den schwer zu greifenden Begriff des Zarten und streben so eine zwanglose Konkretisierung an.
Im Rahmen des Forschungsprojektes gab es eine Ausschreibung an bildende Künstlerinnen und Künstler, Arbeiten mit dezidiertem Bezug zum Begriff des Zarten einzureichen, sodass aus den Einreichungen ein umfangreiches Archiv an künstlerischen Ansätzen zum Thema erstellt wurde. So kann eine Relevanz des Begriffes gerade auch für die Produktion und Rezeption von Kunstwerken festgestellt werden.
Ausgewählte Künstler*innen: Gökcen Dilek Acay, Sophie Aigner, Ana Alenso, Katharina Kim Alsen, Michel Aniol, Christine Bachmann, Thomas Behling, Sarah Bernhardt, Mario BieRende, Martin Bothe, Marion Denis, Bruno Di Lecce, Thilo Droste, Dagmar Fella, Stephan Groß, Harriet Groß, Simone Haack, Karin Heinrich, Elke Hennen, Lena Hensel, Frenzy Höhne, Janine Hönig, Annabella Kalisch, Hyuna Kang, Margareth Kaserer & Simon Steinhauser, Eleana Katanu, Jens Kloppmann, Edith Kollath, Meike Kuhnert, Soo Jin Lee, Carina Linge, Helene Meier, Ines Meier, Maximilian Meier, Jesse Muller, Anna Myga Kasten, Enrico Niemann, Claudia Olendrowicz, France Parsus, Ileana Pascalau, Ulrike Paul, Ellen Peckham, Aaron Rahe, Olav Raschke, Korvin Reich, Judith Röder, Yvonne Roeb, Ninette Rothmüller, Fons Schiedon, Felix Schneeweiß, Antje Seeger, Charlotte Seidel, Juliana Irene Smith, Hartmut Stockter, Elisa Storelli, Anna Szighety, Laurel Terlesky, Andrea v.Lüdinghausen, Sandy Volz, Claudia von Funcke, Sarah Westphal, Miriam Yammad, Jenny Yurshansky, Ladislav Zajac & Simone Zewnik
Teil des Forschungsprojektes sind Ausstellungsexperimente, in denen ein Transfer der im Buch erarbeiteten Strukturen und Inhalte in den physisch erfahrbaren Raum angestrebt wird. Diese stellen gleichwohl eine Reduktion aus der Vielzahl der eingereichten Arbeiten zu einer Essenz dar, in der Bilanz aus einer umfangreichen Recherche gezogen wird und funktionieren damit auch als eine Akzentuierung der Enzyklopädie. Die Enzyklopädie hingegen wird als flexibles und erweiterbares Archiv perspektivisch zum unerschöpflicher Fundus für neue Zusammenstellungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und erfährt dabei gleichzeitig in der Ausstellung als Künstlerbuch eine Transformation in ein eigenständiges Kunstwerk.
Abb. "Eine Enzyklopädie des Zarten" Ausstellung in der Galerie im
Körnerpark 2018, Fotos © Konrad
Angermüller